africologne(4): Der Choreograf Raphael Moussa Hillebrand über machtkritische und machterhaltende Kunst
Messenger der Revolution
In Kooperation mit dem africologneFESTIVAL präsentiert PLATEFORME vier Essays afrikanischer und afrodiasporischer Künstler*innen, die über das widerständige Potenzial ihrer Theaterarbeit reflektieren und gleichzeitig kritisch auf postkoloniale Machtverhältnisse blicken.
Widerständige Praxis in der Kunst ist unser Ausgangspunkt. Da stellt sich die Frage: Widerstand gegen was? Viele von uns erinnern sich wahrscheinlich daran, wie sie aus La-La-Land aufgewacht sind. Wie wir erkannt haben, dass das politische und wirtschaftliche System, in dem wir leben, nicht das ist, was es zu sein scheint. In Deutschland und Europa wird sich auf Werte wie Menschenwürde und Menschenrechte berufen. Es wird immer wieder beteuert, dass es darauf ankommt, was jemand tut und nicht, welcher Klasse oder welcher Herkunft jemand entspringt. Das ist eine Lüge. Eine Lüge, die notwendig ist, damit das ungerechte kapitalistische System weiter von der Mehrheit der Bevölkerung toleriert wird. In Wirklichkeit wissen wir spätestens seit den tausenden Toten im Mittelmeer und dem Umgang mit der Corona-Pandemie, dass Kapital in Europa mehr zählt als Menschenwürde. Wir leben in einem ungerechten System, das wir überwinden müssen. «Babylon must fall.»
Es gilt Widerstand zu leisten. Rosa Luxemburg nannte es die Barbarei und erklärte in «Die Akkumulation des Kapitals», wie Kapitalismus zwangsläufig zu Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Kolonialismus und Krieg führt. Berühmte Persönlichkeiten wie Fela Kuti, Bob Marley und Nina Simone werden nach ihrem Tod von der Mehrheitsgesellschaft gefeiert für ihren Kampf für Gerechtigkeit. Zu Lebzeiten bekamen sie jedoch den kalten Wind des Establishments zu spüren, der forderte, dass sie sich anpassen sollten und wichtige Themen nicht ansprechen. Die Vereinnahmung von Aktivisten wie Martin Luther King durch den Mainstream ist immer wieder erschreckend. MLK war entschiedener Kapitalismuskritiker.
«The evils of capitalism are as real as the evils of militarism and evils of racism.»
–Speech to SCLC Board, March 30, 1967.
Diese Erkenntnis führt uns zur folgenden Frage. Welche Kunst ist machtkritisch und welche ist machterhaltend? George Orwell proklamierte in seiner gleichnamigen Veröffentlichung: «All Art Is Propaganda«. Denn entweder bezieht sich Kunst auf die brennenden Themen unserer Zeit oder sie lenkt davon ab. Und damit ist jede Art von Kunst Propaganda im Sinne von Machterhalt oder Machtkritik.